Eine Oase in der Stadt

Das Hilmteichhäuschen in Graz

 

Seit wann es den Hilmteich, einen ehemaliger Ziegelteich im Osten von Graz direkt am Leechwald, gibt, ist ungeklärt. Doch spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts diente er als viel frequentiertes Naherholungsgebiet. Bereits damals konnte man hier nicht nur spazieren gehen, sondern im Sommer Ruderboot fahren und im Winter eislaufen. 1858 wurde eine Gastwirtschaft, das Hilmteichschlössel, errichtet, ein paar Jahre später mit dem Schweizerhaus ein Bierlokal. Seit 1868 gehört das Areal der Stadt Graz und bis heute ist die Anziehungskraft des Hilmteichs als mit der Straßenbahn leicht erreichbares Ausflugsziel ungebrochen. Das Angebot ist gleich geblieben, auch wenn der Teich nicht mehr jedes Jahr zufriert: Es gibt einen Boots- und Schlittschuh­verleih, der bis vor kurzem in einem Baucontainer am Südufer untergebracht war.

Anlässlich seines zwanzigjährigen Bestehens beschloss „Besser mit Holz!“, ein Verein von Zimmermannsleuten, der sich der För­derung des Werkstoffs Holz verschrieben hat, der Stadt Graz ein kleines Holzhaus zu schenken, das anstelle des Baucontainers errichtet werden sollte. Der Ort ist strategisch günstig, weil er am Hauptzugang zum Teich liegt, der Spazierweg ist hier aller­dings schmal, was der Ausrichtung des Häuschens Grenzen setzte.

Der Verein entschied sich, mit einem Architekturbüro zusammen­zuarbeiten und das Gestalterische mit dem Handwerklichen zu verbinden. Entsprechend dem Vereinsziel wurde also ein Gebäude geplant, dessen Konstruktion, Hülle und Decke aus Holz bestehen. Die Holzriegelkonstruktion auf Punktfundamenten wurde mit einer Fassade aus unbehandelten Lärchenholzlamellen verkleidet, die sich bis über die Dachkonstruktion zieht, womit eine große Homogenität und ein zurückhaltendes Erscheinungsbild einhergehen.

Im Inneren des parallel zum Ufer in Längsrichtung positionierten Häuschens gibt es zwei Bereiche: einen Stauraum für Boote und Eislaufschuhe und einen kleineren Teil zum Ausleihen bzw. als Garderobe. Beide haben jeweils ein asymmetrisches Satteldach, das die Kubatur gliedert, sie weniger dominant erscheinen lässt als mit einem Flachdach und eine unkomplizierte Entwässerung gewährleistet. Im Publikumsteil sind die Latten direkt auf die Konstruktion geschraubt, sodass der – gefilterte – Blick auf den Hilmteich freibleibt. Vier Stufen führen von hier aus auf einen breiten Holzsteg, der genug Platz bietet, um im Winter gefahrlos Eislaufschuhe an- und auszuziehen und im Sommer ins Ruder­boot zu steigen.

Das Häuschen wurde ausschließlich von Zimmererlehrlingen in einer Zimmerei in Frohnleiten 30 km nördlich von Graz vorgefer­tigt. Die Umsetzung der handwerklichen Arbeiten erfolgte als Prozess des Austauschs zwischen Lehrlingen und Planenden und war so eine Bereicherung für alle Beteiligten. Der gesamte Bau­körper wurde schließlich in einem Stück per Sattelschlepper und Kran angeliefert und versetzt.

Auch wenn das Hilmteichhäuschen nicht als Prototyp gedacht war – es ist zu einem geworden. Spaziergänger*innen denen das kleine Gebäude gefiel, ließen sich für ihre Bedürfnisse adaptierte Nachfolger bauen, die nun als Holzlege, Stauraum, Garten- oder Badehäuschen dienen. Das spricht für die Qualität von Konzept und Ausführung und zeigt, dass gute Architektur keine Frage des Maßstabs ist.

 

Eva Guttmann

ist Autorin, Lektorin und Herausgeberin im Fachbereich Architektur