Bildungszentrum Fröbelgasse
Leoben, 2023
3. PLATZ EU-weit nicht offener, zweistufiger RealisierungswettbewerbLeoben, 2023
Der historische Wert eines Denkmals ruht darin, dass es uns eine ganz bestimmte, gleichsam individuelle Stufe der Entwicklung irgend eines Schaffensgebietes der Menschheit repräsentiert.
Alois Riegl, Der moderne Denkmalkultus, 1903
Das denkmalgeschützte Schulgebäude ist ein physisches Abbild und künstlerisch architektonischer Ausdruck seiner Zeit.
Ziel des Entwurfes ist es, den Gebrauchswert des Gebäudes zu gewährleisten und den wandelnden pädagogischen Anforderungen an ein Schulhaus gerecht zu werden, gleichzeitig substanzschonend, respektvoll und ohne strukturelle Änderungen aber doch mit eigenem Gestaltungswillen zu handeln, um der neuen Zeitschicht ebenfalls die Möglichkeit zu geben, wertvoller Bestandteil der geschichtlichen Überlieferung zu werden.
STÄDTEBAULICHES KONZEPT
neue räumliche Qualitäten
Im Westen wird durch die Anlagerung einer neuen Zeitschicht, ähnlich eines Wintergartens, an den ehemaligen Schulwartriegel eine Stärkung der Adressbildung erreicht. Damit verschwindet das subjektive Gefühl, dass es sich im Westen um die Rückseite des Ensembles handelt.
Das Schulgebäude hat im städtischen Gefüge eine besondere Rolle inne, dies wird durch das neue Gesicht zum Straßenraum sichtbar und lesbar gemacht. Unterstrichen wird die städtische Rolle auch durch die Ausformulierung eines Vorplatzes, der dem öffentlichen Leben einen vielseitigen nutzbaren Raum bietet, schließlich hat eine Schule auch eine gewisse Frequenz und Frequenz braucht Platz. Ein prägnanter neuer identitätsstiftender Stadtraum entsteht.
Die Turnhalle wird im Osten als platzbildender Baukörper errichtet. Einordnend aber mit zeitgenössischem, architektonischem Ausdruck bildet sie als Solitär -sie geht keinerlei physische Verbindung mit dem denkmalgeschützten Bestand ein- im Westen den Abschluss des Ensembles und schafft mit ihrer Setzung eine Hofsituation. Durch die Positionierung fasst das Sportgebäude einen intimen und atmosphärischen Grünraum der den Schüler*innen die nötige Geborgenheit bietet.
Nicht nur, aber auch aus einem ähnlichen Grund wurde die Sporthalle in den Osten gesetzt, eben um die nötige Privatheit für die Kinder zu gewährleisten und vor Einsicht der Passanten vom Straßenraum zu schützen. Eine städtebauliche Setzung im Westen hätte diese Qualitäten, wie rundum Lichteinfall bei gleichzeitiger Intimität nicht erreichen können.
Auch der Zugang für externe Turner*innen erfolgt unkompliziert im Osten, ohne dass sie das Schulareal betreten. Ein Entree, das sich über die Höhe des Turnsaals zieht, sorgt für den nötigen Tageslichteinfall und damit für eine angenehme Atmosphäre. Bei Schulveranstaltungen bietet es ausreichend Platz zum Sammeln und zur Kommunikation. Eine architektonische „Hutkrempe“ sorgt für den nötigen Sonnenschutz und für witterungsgeschützte Bereiche für die Kinder.
ORGANISATION UND KONZEPTION der Volksschule Fröblgasse
Schule als Lern- und LEBENSraum
Ziel der inneren Organisation der Schule ist, geordneten, strukturierten Raum für lustvolles Lernen und pädagogisches Handeln zu schaffen.
Das Schulhaus wird über einen neuen Windfang betreten. Optional kann in diesem eine Treppe (Schmutzschleuse) ins Untergeschoss angeboten werden; bei Verzicht auf dieses neu zu schaffende Stiegenhaus, ist auch ein Betreten des UG über die Bestandstreppe möglich. Im UG befinden sich die Zentralgarderoben und die Werkräume sowie auch der Zugang zu den Umkleiden und den Turnsälen. Durch die geschoßweise Trennung der Werkräume kann auch einmal laut gehämmert werden, ohne die restlichen Klassen zu stören. Der Werkraum hat über die Treppe einen raschen Zugang ins Freie und zur witterungsgeschützten Freiluftklasse (Vordach bei Turnsaal). Es kann also auch einmal mit und in der Natur gearbeitet werden.
Weite und Großzügigkeit zeigt sich in der neu geschaffenen Aula die das HERZSTÜCK des Gebäudes ist. Die Aula erstreckt sich über den westlichen Riegel und mündet in einer Treppenlandschaft, die Möglichkeit zum Lesen und Spielen bietet. Sie ist lebhafter Multifunktions- und Kommunikationsraum und selbstverständlich wichtiger Pausenraum.
Die Aula vernetzt Gebäudeteile und Funktionen und bietet nicht nur den schönsten Blick, sondern auch einen direkten Zugang in den Garten.
Westlich der Aula sind die GTS- Räume angelagert, damit sie dann, wenn sie am stärksten frequentiert sind, nämlich am Nachmittag, das beste Sonnenlicht erhalten. Die Ankoppelung an die Aula, macht ein buchstäbliches „Durchspielen“ bis in den Garten möglich. Der Bewegungsdrang der Kinder kann somit auf der vorgelagerten Grünfläche gestillt werden. Die Pädagogen und Pädagoginnen haben von der Aula einen guten Überblick in den Garten. Während die Kinder bereits im Freien Spielen, haben sie beispielsweise die Möglichkeit sich einem Kind, dass besondere Betreuung bei der Hausaufgabe braucht, zu widmen.
Am Gelenk der multifunktionalen Aula hängt auch der Speisesaal und soweit nicht in der Aula untergebracht, der „ruhige“ Bereich der Bibliothek. Die Grenzen sind hier fließend. Das großartige räumliche Potential des Bestandsturnsaales wird genutzt. Die hölzerne Kletterwand im Osten wird erhalten. Über die Lesetreppe wird die Büchergalerie erreicht und mit einem Glaselement vom Speisesaal getrennt, um die nötige Ruhe zu schaffen. Ziel ist es unterschiedliche qualitätsvolle räumliche Erlebnisse in früher Kindheit zu schaffen.
Besondere Bedeutung hat die Gestaltung des Speisesaals als Lebensraum für die Schüler*innen. Außerhalb des Familienverbandes zu Essen, braucht eine besonders harmonische und warme Atmosphäre, denn zu Räumen die alle Sinne ansprechen stellt sich sofort eine Beziehung her. Viel Holz und ein angenehmes Grün dominieren den Raum. Die „Kinderküche“ ist fixer Bestandteil des räumlichen Ensembles. Aufstriche mit den Kräutern der Hochbeete vom Garten für die Jause zuzubereiten ist hier mit wunderbarem Blick in den Garten ein Vergnügen.
Durch kompakte Anordnung des Speisesaals an der GTS ist dieser nicht nur monofunktional, sondern erfährt eine höhere Nutzungsdichte, auch hier können sich die Kinder auch außerhalb des Mittagessens „ausbreiten“. Denn mehr Raum bedeutet weniger soziale Dichte und damit weniger Aggression.
Südlich der Aula bleibt der Festsaal bestehen. Zentral im Erdgeschoss befinden sich Lehrerarbeitsplätze und Direktion, damit diese für Eltern bei Bedarf unkompliziert erreichbar sind.
Die Gänge vor den Klassen werden zu Lernlandschaften, welche sich vielfältig bespielen lassen. Jeweils ein Garderobenschrank pro Klasse wird demontiert und in der Zentralgarderobe im Gartengeschoss wiedermontiert. Die Positionen befinden sich ebenfalls wieder in den Nischen.
Es erfolgt eine Verzahnung von Gangfläche zur Klassenfläche. Eine Verglasung mit Schiebetür schafft nicht nur eine visuelle, sondern auch eine räumliche Verbindung. Ein räumlich ausgebildetes Möbel bildet die Trennung zur Erschließung und schafft gleichzeitig die nötige Geborgenheit. Neuer Raum mit Möglichkeit zur Förderung, zu eigenverantwortlichem Lernen, zu ruhigem konzentriertem Arbeiten in der Kleingruppe entsteht. Die neue Lernlandschaft versteht sich aber auch als Chilloutzone mit Rückzugsräumen im kinderkompatiblen Maßstab. Farblich nehmen die Möbel, die den Gang strukturieren die bereits vorhanden Geschossfarben auf, um sich harmonisch einzufügen.
Abschließend bleibt nur noch Herman Czech zu zitieren:
„Ein Umbau ist interessanter als ein Neubau, weil im Grunde alles Umbau ist“
Hermann Czech, Architekt
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