Visitor Center Oberes Belvedere

Wien, 2024 -
1. PLATZEU-weit offener, einstufiger RealisierungswettbewerbWien, 2024

Unterirdisches Besucherzentrum für das Schloss Belvedere in Wien (Oberes Belvedere, Prinz – Eugen Straße 27) um der erhöhten Besucherströmen gerecht zu werden. Visitor Center mit Souveniershop Bereich als Haupthalle und vorgelagerter Empfangshalle für Ticketkontrolle und Security – Check.

STATUS: IN BEARBEITUNG, 2024-

 

Architektonisches Konzept

Das Belvedere mit seinen barocken Gartenanlagen ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler Österreichs. Als sinnlich, prunkvoll, wienerisch, mächtig, bedeutend, auratisch und vieles mehr lässt sich das Ensemble beschreiben.

Was es jedenfalls ist, es ist ein in sich geschlossener und genialisch anmutender Kosmos. Diesen schlüssigen Kosmos gilt es zu respektieren, was auch den entwerferischen Zugang zur Bauaufgabe widerspiegelt. Eine Weiterentwicklung des Ensembles kann nur in einer Art und Weise erfolgen, die die Raumidee bewahrt und die Kultur der Vergangenheit und das Erinnern an sie fordert und fördert, ohne die große Geste und die physische Präsenz, die letztendlich die begehrenswerte Perfektion und die fühlbare, riechbare, hörbare und sichtbare Geschlossenheit des Systems konterkariert. Es gibt Orte, Baukörper und Raumkörper, die so wie sie sind, gut sind.

Dennoch, die einzige Konstante ist die Veränderung, oder Kontinuität, durch Wandel. Da die Wertschätzung für Kunst und Raum in der Regel auf einer persönlichen Begegnung beruht, ist es unumgänglich, vielen Menschen dieses Erlebnis zu ermöglichen, was nach einer neuen Infrastruktur verlangt. 

Zugang 

Ohne Bewegung und Innehalten kann dieses Kulturgut nicht begriffen werden. Ein Innehalten und Wahrnehmen ist jedenfalls vor dem herrschaftlichen Gebäude selbst einzufordern. Deshalb ist der Hauptzugang für das Besucher*innenzentrum und damit auch die Besucher*innen, integrativer Teil des Kosmos und der Zugang erfolgt nicht außerhalb im Straßenraum, sondern innerhalb des Ensembles an der Stirnseite zum Kavalierstrakt. Die Wahrnehmung eines der bedeutendsten Baudenkmäler Österreichs ist von großer Bedeutung. Ein Zugang direkt vom Straßenraum kann dies jedoch nicht leisten. Auch ein Sammeln von Gruppen, ein Warten, ein erstes kurzes Ruhen oder Sitzen wird durch das größere räumliche Angebot im Vorbereich des Oberen Belvederes ermöglicht.

 Insgesamt gestaltet sich das Entrée zum neuen Besucher*innenzentrum lesbar und repräsentativ. Den Fensterachsen des Gartengeschoßes an der Stirnseite folgend, entstehen drei sorgfältig gesetzte Öffnungen für die Führung der Besucher*innen ins Innere des Gebäudes. Vordächer bilden die klappbaren Läden, die auch nach Ende der Öffnungszeiten im verschlossenen Zustand Lesbarkeit, aber auch Sicherheit garantieren.

Die Wegeführung folgt einer Dramaturgie. Ein geräumiges Foyer öffnet sich nach Überschreiten der Schwelle, die Decke des Eckrisalits des Kavalierstrakts wird entfernt, aber als Spur weiterhin ablesbar gemacht, um ein repräsentatives Volumen, das Entrée, zu generieren. Die reizvollen Gewölbe schließen den Raum nach oben. Richtet man den Blick hinauf, so schillert das Café, das nach dem Museumsbesuch zur Verarbeitung und Besprechung der Eindrücke, aber auch nur zur Rast einlädt, durch eine gläserne Wand nach unten durch. Eine geräumige Treppe, die den Publikumsströmen gerecht wird, führt sanft auf ein Zwischenplateau. Vorsichtig und nicht abrupt wird zwischen dem Oben und Unten vermittelt, um den Besucher*innen ein möglichst komfortables aber auch räumlich erlebnisreiches Eintauchen in eine Museumswelt zu ermöglichen. 

Wie bei einer barocken Treppenanlage, wird auch hier nach Erreichen des „Podestes“ die Richtung geändert und eine neue räumliche Sequenz öffnet sich in der Wahrnehmung. Die Besucher*innen verlassen spürbar das Vorhandene und das Raumvolumen setzt sich in einem zeitgenössischen Kontinuum fort, die Chronologie wird nicht verschleiert. 

Was die Nutzung erfordert, bietet das erste Plateau. Orientierung und einen Überblick über das (Shop, Halle, Garderoben, Museumsaufgang), was dem Museumspublikum buchstäblich und schnell erfassbar zu den Füßen liegt. Insbesondere stimuliert es die Besucher*innen zum Kauf eines Tickets.

Hat das Museumspublikum den Sicherheitscheck absolviert, so führt eine angemessen repräsentative Treppe in die Halle. Für einen gleichberechtigten und barrierefreien Zugang sorgt eine parallel situierte geräumige Rampe, die den Weg in die Halle auf angenehme und auf unbeschwerliche Weise zelebriert. Beides, Treppe und Rampe, nicht nur als Bewegungsfläche, sondern auch als Begegnungsfläche räumlich formuliert, ist ein wichtiges architektonisches Element der Halle. 

Das Hallenplateau, die letzte Ebene, bevor man sich der Kunst widmet, folgt einer klaren baulichen Struktur. Dem Hauptraum, der Halle, lagern sich auf der einen Seite die Garderobe und auf der anderen Seite der Museumsshop an. In ihrer hierarchischen Ordnung ist die Garderobe bis zur Decke räumlich getrennt, der Shop hingegen hat nach oben keinen exakten räumlichen Abschluss. Die Halle ist zwar vom Shop durch eine Scheibe abgetrennt, lässt den Verkaufsraum in der räumlichen Wahrnehmung aber nicht im Verborgenen und macht seine physische Präsenz spürbar.

Die Halle versteht sich als Rahmen, in dem etwas geschehen kann. Sie ist ein großer offener Raum, der im Zentrum steht, der zwischen der Welt der Öffentlichkeit und der Welt der Institution Museum vermittelt.

Der Museumsshop kann beim Verlassen, aber auch schon beim Betreten des Besucher*innenzentrums, bequem aufgesucht werden. Auf zwei Ebenen bietet er sicher unzählige Erinnerungsstücke und vermittelt durch die begleitende topographische Abtreppung sanft in die Halle. Flexible und nicht erzwungene Wege sind Teil des architektonischen Konzepts. Betrachtet man die Breitseiten der Halle, so sind an der einen Seite die Sanitärräume und auf der anderen Seite die Mitarbeiter*innen- und infrastrukturellen Räume angeordnet. Hierarchisch ordnen sich die Sanitärräume buchstäblich unter, ein paar wenige Treppen erlauben eine rasche Erreichbarkeit von der Halle aus. Ein barrierefreies Angebot gibt es in der Halle im Bereich der Garderoben.

Räumlich prägnant, gut sichtbar und durch Lichtöffnungen in der Decke flankiert, führt eine strukturell an das Barock angelehnte Treppenanlage in die überwältigende Sala Terrena. Die große Erzählung, auf die räumlich und dramaturgisch vorbereitet wurde, kann nun beginnen.

Genauso versteht sich die Architektur des Besucher*innenzentrums. Angemessenheit und nicht Außergewöhnlichkeit ist das entwurfsprägende Schlagwort. Auf die große Geste wird verzichtet, diese Rolle nimmt bereits das Belvedere selbst mit seinen Gartenanlagen ein. Dennoch verzichtet das räumlich neu Artikulierte nicht auf seine eigene Identität, es ordnet sich ein aber nicht unter. Entwurfsbestimmend ist aber die physische Substanz und nicht der optische Effekt.

Anlieferung und Manipulation

Ein im Kavalierstrakt neu installierter Lastenaufzug ermöglicht eine rasche, sichere und komfortable Anlieferung. Eine wenige Meter entfernte Manipulationsfläche ist dem Archiv vorgelagert. Sämtliche Wege des Kunsttransportes in das Obere Belvedere sind von den Besucher*innenströmen entkoppelt. 

Licht und Orientierung

Die Eingangshalle ist natürlich belichtet. Die Bestandsöffnungen erzeugen eine behagliche, angenehme Atmosphäre.
Beim Schreiten über die Treppe zum nächsten Plateau bieten drei untergeordnete Öffnungen, die im Achsraster der Fenster des Kavalierstrakts in der Sockelzone platziert sind, zusätzliches natürliches Licht und Orientierung. Durch diese Maßnahme wird der Straßenraum wahrnehmbar und auch umgekehrt. Ein neugieriger Blick ins Besucher*innenzentrum lässt sich von hier aus erhaschen und animiert vielleicht zu einem Besuch des Museums.

Nur wenige Meter entfernt befinden sich die nächste natürliche Lichtquelle und ein weiterer Orientierungspunkt in Bezug auf das Belvedere. Eine runde Deckenöffnung, die in Position und Ausformulierung an das Gartenrelief der Schmuckplätze aus dem Gestaltungsplan von Anton Umlauft, um 1894, angelehnt ist, ermöglicht eine andere Perspektive auf das herrschaftliche Gebäude.
Zwei weitere runde Lichtbrunnen, die symmetrisch zur Zugangstreppe des Belvederes angeordnet sind, markieren und unterstreichen den Aufgang zum Belvedere. Die Lichtbrunnen sind ebenfalls als Zitat der Gartengestaltung aus dem Plan von Anton Umlauft, um 1894, bzw. den Rekonstruktionsempfehlungen der Landschaftsarchitektin Maria Auböck im Parkpflegewerk (1991) zu verstehen.

Da die unterirdische Position und der denkmalpflegerische Ansatz Öffnungen nach oben einschränken und das Beleuchtungskonzept darauf abzielt, ein Maximum an Behaglichkeit für Besucher*innen und Mitarbeiter*innen zu schaffen, spannen sich in den Kassetten über dem Hauptraum Lichtfelder auf. Eine Lichtdecke entsteht und vermittelt einen offenen, hellen atmosphärischen Raum.
Die Deckenstruktur spiegelt die Grundrissordnung wieder. Die untergeordneten Räume und Flächen werden durch Einbaustrahler beleuchtet.

Konstruktion und Material

Die Konstruktion bestimmt das Material (oder umgekehrt). Das Material folgt dem Ort, der Ort des Bauens ist unterirdisch. Somit kommen spezielle äußere Bestimmungen in der Konstruktion und damit im Material zum Tragen: Die Konstruktion ist bestimmt von leistungsfähigem Stahlbeton als konstruktiv eingesetztem Material. Der Wunsch nach Nachvollziehbarkeit und Lesbarkeit der Konstruktion lässt den Beton im Raum sichtbar. Die Wirkung und das Erscheinungsbild der Räume leiten sich also maßgeblich von der Konstruktion und dem damit verbundenem Material ab. Die Träger, die den Raum nach oben abschließen, sind ebenso gestaltwirksam und lesbar. Durch ein hohes Maß an vorgefertigten Bauteilen und durch die Verwendung von recycelten Baumaterialien wird eine klimaeffiziente Umsetzung angestrebt. Das konstruktiv und materiell Notwendige zur Bildung des Raumes wird ergänzt durch Bekleidung mit einer sinnlichen Bedeutungsebene. Eiche, als robustes, behagliches und nachhaltiges Material bestimmt im Zusammenspiel mit Sichtbeton die materielle Identität des Raumes. Auf zusätzliche farbliche und materielle Reize wird im Besucher*innenzentrum verzichtet. Die Farb- und Formenvielfalt der Kunst und des Raumes steigert sich ohnehin auf dem Weg nach oben in die Ausstellungsräume des Belvederes dramaturgisch wie selbstverständlich. Die große Geschichte wird im Belvedere selbst erzählt.

Garten und Rekonstruktion

Ziel der Gartendenkmalpflege im Belvedere ist es, historische Gartenräume wieder erkennbar zu machen.

Um den Vorplatz des Belvederes weitgehend von Asphalt zu befreien, erfolgt eine Entsiegelung und Rückführung in die historisch belegte Oberflächengestaltung. Eine wassergebundenen Schotterschicht bildet die Oberfläche.

  Anton Umlaufts Gestaltungsabsichten zitierend markieren die Haupttreppen im Teichgarten nun wieder kreisrunde Pflanzenwälle, die in ihrer Mitte zwar keinen Rasen, aber Verglasungen aufweisen. Sie sind als zurückhaltende Lichtbrunnen für das Besucher*innenzentrum darunter konzipiert. Weitere nach den Plänen von Anton Umlauft gesetzte runde Schmuckplätze, einer davon als Lichtbrunnen ausgebildet, werden wie bei Umlauft in der Vorzone, nahe dem Gebäude verortet. 

Der Pfirsichgarten wird nach den denkmalpflegerischen Vorgaben des BDA rekonstruiert 

 

© epps architekten

Auszug aus dem Juryprotokoll

Das Projekt respektiert in seinem Entwurfsansatz das Bestandsensemble und die Vorgaben des Denkmalschutzes und zeichnet sich in seiner architektonischen Sprache durch Angemessenheit aus, ohne auf eine eigenständige Identität zu verzichten.
Das architektonische Konzept schlägt über drei Ebenen einen graduellen Übergang zwischen der alten Bausubstanz (Kavalierstrakt) und seinen Proportionen und der Haupthalle des Visitor Center auf dem dritten, unterirdischen Plateau vor. Verbunden werden diese drei Ebenen über flexible und nicht erzwungene Wege, die über angemessene Treppenanlagen und über Rampen eine gleichberechtigte sowie gleichwertige Erschließung ermöglichen.

Als Eingangssituation für das Visitor Center schlägt das Projekt den Eckrisalit des Kavalierstrakts vor und schafft durch das Entfernen der Decke eine erste Eingangshalle. Orientierung und Verbindung mit dem Bestandsensemble werden über Blickbeziehungen mittels Bestandsöffnungen sowohl Richtung Prinz-Eugen-Straße als auch Richtung der barocken Gartenanlage und Oberes Belvedere geschaffen.

Über eine erste, tiefer gelegte Ebene, ein geräumiges erstes Foyer, wird der Besucher, die Besucherin zum dritten Plateau der Halle geleitet, wobei eine Orientierung u.a. über eine Oberlichte mit Blick auf das Schloss erhalten bleibt.
Das Konzept der Angemessenheit bei zeitgleicher Schaffung einer räumlichen Identität spiegelt sich in der Materialität und Farbigkeit wider, die bewusst auf wenige Hauptelemente wie Sichtbeton und Eiche reduziert werden.

Nach dem ersten Entree nimmt das zweite Plateau alle für die Organisation des Museumsbetriebs erforderlichen Funktionen auf, wie z.B. Information und Ticketing sowie den Sicherheitscheck, und schleust die Besucher*innen über Treppe oder Rampe in die Haupthalle weiter, wobei der Museumsshop entlang der Rampe über mehrere Ebenen begleitend erlebbar ist, sowohl beim way-in als auch beim way-out. Nebenräume sind funktional gut angeordnet und überwiegend ausreichend dimensioniert.

Aus sicherheitstechnischer Sicht ist die Abfolge der Funktionen klar und gut strukturiert und ermöglicht eine gesicherte Anlieferung der Kunstwerke, ohne den Besucher*innenstrom zu kreuzen. Über einen begleitenden Gang können diese in das Museum transportiert werden.

Pressemitteilungen

Der gleichermaßen elegante wie funktional flexible Entwurf von epps ermöglicht eine Weichenstellung für die Zukunft des Belvedere, die seinem internationalen Ruf und seiner Attraktivität gerecht wird. Das neue Visitor Center gibt uns die Chance, der kulturellen Bedeutung des Hauses zukünftig auch im Servicebereich zu entsprechen, erläutert dazu Generaldirektorin Stella Rollig.

Das Projekt ist Teil eines Konjunkturpakets, das die Bunderegierung im Budget bereits fixiert hat. Die Bundesregierung hat für die Jahre 2025-2027 insgesamt 100 Mio. Euro für die wichtigen Bauprojekte im Belvedere, im Kunsthistorischen und im Naturhistorischem Museum budgetiert. Alle drei Häuser bekommen damit eine zeitgemäße Infrastruktur, die das Besucherinnen- und Besuchererlebnis nachhaltig verbessern wird, so Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea MayerIch freue mich sehr über das Ergebnis des Architekturwettbewerbs – aus Sicht der Kulturpolitik, aber auch als leidenschaftliche Museumsbesucherin.

Die Bedeutung des Projektes wird auch vom Eigentümervertreter der Liegenschaft unterstrichen: Die zeitgemäßen Anforderungen an historische Gebäude stellen große Herausforderungen dar, bringen aber Verbesserungen für die Zukunft. Durch die mit der Errichtung eines Visitor Centers einhergehende Besucher*innenstromführung werden wesentliche Teile des historischen Gebäudes erheblich entlastet. Dadurch wird die nachhaltige Erhaltung des Schlosses Belvedere unterstützt, so Burghauptmann Reinhold Sahl.